Dieser Artikel zu einer griechischen Geisterstadt ist kein klassischer Wohnmobil-Reisebericht, sondern eine Reportage, die zum Nachdenken anregen soll. Die Auswüchse des Tourismus, des Kapitalismus und die damit einhergehende Kurzsichtigkeit treibt manchmal einfach seltsame Blüten. Uns Fotografen freut es ja einerseits, denn ein Lost Place wie dieser ist spannend. Andererseits fragt man sich schon: Muss sowas denn wirklich sein?
Inhalt
Entwicklungsprojekte braucht eine ruhige Insel!
Die Geschichten über diesen Ort gehen auseinander. Uns wurden schon einige Varianten erzählt, die sich alle in den Details unterscheiden. War diese Touristenstadt auf der Insel jemals in Betrieb? Die einen meinen „nein“, andere wieder „nur zwei Saisonen“. Wie auch immer: Seit etwa zehn Jahren kommen hierher keine Touristen.
Ausländische Investoren aus Russland investierten hier viel Geld, um in kürzester Zeit mit ihrem griechischen Partner einen Tourismus-Komplex aus dem Boden zu stampfen. Schließlich braucht auch die letzte, griechische Insel unbedingt Massentourismus, wie man ihn ohnehin schon überall findet.
Irgendwann versiegte der Geldfluss aber plötzlich. Der griechische Partner sitzt das jetzt wohl im Gefängnis aus, über die ausländischen Investoren weiß man nichts. Die Angestellten wurden nicht bezahlt, denn so erklärt man uns das Fehlen von Badewannen, Toiletten und dergleichen: Als Kompensation transportierten die geprellten Griechen hier wohl alles ab, was irgendwie wertvoll war.
Aus der Ferne ganz normal
Riesig ist er, der Touristenkomplex, im Prinzip eine Kleinstadt, die da auf einem Hügel über der Ägäis thront. Aus der Ferne wirkt sie nicht wie eine Geisterstadt. Man meint, ein gewöhnliches, griechisches Dorf zu erblicken. Nur, wenn man ganz genau hinsieht, fällt einem das eine oder andere Detail auf, das irgendwie nicht stimmig wirkt.
Da ist mal die riesige Beton-Abwasserleitung, die in Riesenbrocken zerstückelt von der Anlage ins Meer reicht. Da sind die Vogel-Schwärme, die periodisch über der Stadt kreisen und sich dann anscheinend in eines der Gebäude zurückziehen.
Willkommen in der Geisterstadt
Kommt man – wie wir – mit dem Moutainbike am Hügel an, so passiert man erstmal das Pförtner-Gebäude. Völlig zerbröselt ist die Mauer bereits, hochqualitativ hat man hier nicht gerade gebaut. Der Asphalt, der dann hinunter, zum großen Hotelkomplex führt, ist hingegen in gutem Zustand.
Die große, verwucherte Wiese links des Weges sollte wohl der PKW-Parkplatz für die Gäste werden.
Vor uns liegt nun das große Hotel. Der Rest der Anlage setzt sich aus kleineren und größeren Villen und Bungalows zusammen – wohl ehemals wählbar, je nach Buchungsklasse. Der Hotel-Eingang wird rechts bereits von einem Feigenbaum überwuchert, der sich seinen weg aggressiv in Richtung der Rezeption hinter der Mauer bahnt.
Eingang zum noblen Hotel
Vorsichtig betreten wir das große Hotel. Am Boden liegen überall Scherben. Die Wände sind von Graffiti besprüht. Sprayer finden ihren Weg wirklich in die entlegendsten Gegenden. Leider waren hier keine Künstler, hier wurden nur Text-Schmierereien hinterlassen.
Die Wandverkleidung – offensichtlich aus unbeständigem, billigen Material hergestellt – ist arg mitgenommen und voller Löcher. Hier wohnen also die Vogelschwärme, die man aus der Ferne beobachten kann. Und das erklärt auch die unheimliche Geräuschkulisse. Dauernd knirscht und knarzt irgendwo etwas. Ein Steinchen fällt zu Boden. Irgendwo ein Flügelschlag. Man fühlt sich beobachtet.
Cocktail gefällig?
Wir kommen hinter der Hotel-Lobby auf der Terrasse an. Grandios ist der Ausblick hier, man kann sich das mit einem Cocktail schon ganz gut vorstellen. Aber auch hier bröselt und bröckelt alles.
Die ehemaligen Gästezimmer – wohl nicht der günstigsten Kategorie, da mit demselben Ausblick wie die Hotel-Terrasse gesegnet, sind nicht in bestem Zustand. Überall ragt die Dämmwolle hinter kaputten Wänden hervor, Verputz bröckelt, auch die Wände sehen nicht immer allzu stabil aus.
Generell ist das Gebäude nicht gerade betretungssicher. Ein Aufzugsschacht führt ungesichert weit in die Tiefe, wir erkennen den Grund nicht.
Wir verlassen das Hotel und spazieren am Weg entlang, um uns die Villen anzusehen. Weiter unten sehen wir den (leeren) Pool.
Eine griechische Villa – jetzt sehr günstig!
Auch die freistehenden Ferien-Villen machen keinen besseren Eindruck. Die Vögel freuen sich aber offensichtlich über die luxuriösen Vogelhäuser und die Massen an Nest-Baumaterial.
Olya freut sich über den schönen Hintergrund für ein „Biker-Porträt“ ;)
Immerhin die Aussicht hier oben ist sehr schön. In der Ferne erkennen wir unser Wohnmobil in der Bucht.
Blick über die Schulter, und weg aus der Geisterstadt
Als wir am Ende des Rundwegs, und damit wieder am Hotel ankommen, genügt uns der triste Anblick (vielleicht sind uns auch die Geräusche, die scheinbar ständig von hinter uns kommen, auch einfach unheimlich).
Jedenfalls schieben wir die Räder zum Pförtner-Häuschen hoch, und blicken noch ein Mal zurück. Wenn wir nicht wüssten, dass uns aus den vielen Fenstern keine Urlauber, sondern nur Raben anblicken, würde man schon wieder fast nichts merken. Wir blicken ja auf ein ganz normales Tourismus-Städtchen, nicht auf eine Geisterstadt.
Jasmin
Bei den Bildern kommt echt ein wenig Walking Dead Feeling auf. :D Trotzdem können wir den Hype über diese Lost Places nicht ganz verstehen. Irgendwann werden auch sie zu Touristenmagneten und ob das dann noch etwas mit Geisterstadt zutun hat.. fraglich. Sehr schöner und reflektierter Bericht!
Gerfried (WoMo Guide)
Hallo Jasmin,
ja, ich war dort schon einmal alleine, und ich kann dir sagen, dass es zu zweit schonmal wesentlich besser ist. Man fühlt sich sonst wirklich verfolgt.
Den Hype verstehe ich zu einem gewissen Grad. Alte Gemäuer mit ihrer Geschichte, die sie erzählen wollen, sind einfach spannend und bieten eine Atmosphäre, die man sonst nicht findet. Wir suchen diese Plätze auch nicht explizit. Aber wenn man den ganzen Windsurf-Tag ohnehin die verlassene Stadt im Blick hat, muss man sie abends natürlich auch besichtigen ;)
Ciao
Gerfried
Michelle
Lieber Gerfried,
Lost Places finde ich tatsächlich auch sehr spannend. Die Geschichten hinter den Gebäuden machen das Ganze zu etwas besonderem. Mich hätte diese Hotelanlage wohl auch sehr angesprochen, die Aussicht von der Terrasse ist wirklich schön.
Ob ich mich an den Schacht getraut hätte, weiß ich nicht. Ein falscher Schritt und man liegt dann dort, was man nicht mehr erkennen kann.
Die Fotos gefallen mir auch sehr gut, bringen eine tolle Atmosphäre rüber!
Alles Liebe!
Michelle
Gerfried (WoMo Guide)
Hallo Michelle,
ja, wir waren sehr vorsichtig, aber ganz betretungssicher sind ältere Lost Places ja leider nie. Dem Schacht blieben wir dann fern, nachdem wir gesehen hatten, wie gefährlich er war.
Ciao
Gerfried