Lesbos ist etwas in Verruf geraten. Medienberichte zur Flüchtlingskrise, und vielleicht auch ein Ruf als Touristeninsel lassen den Individualreisenden mit dem Wohnmobil andere Ziele ins Auge fassen. Ein Fehler! Lesbos mit dem Wohnmobil, das ist auf alle Fälle eine Reise wert.
Inhalt
Wer Lesbos mit dem Wohnmobil besuchen sollte
Vorweg: Nicht jeder wird Gefallen an der Insel finden. Gerade im Wohnmobil ist man auf Lesbos eher Einzelgänger. Zumindest in der Vorsaison stehen die Chancen gut, keinem anderen Wohnmobil zu begegnen (so erging es uns in 2 Wochen Anfang Juni 2017).
Wenn du aber
- ein ursprüngliches Griechenland suchst
- freundliche, aufgeschlossene und zuvorkommende Inselbewohner schätzt
- Mit wenig zufrieden bist, und für dein Glück nur Meer und Strand benötigst
- Gerne gut und authentisch isst
- Schroffen und kargen Landschaften etwas abgewinnen kannst
könnte Lesbos die richtige Reiseidee für dich sein.
Die Anreise nach Lesbos
Wer Lesbos mit dem Wohnmobil bereisen möchte, kann die Fähre nicht vermeiden. Du hast aber drei Optionen für die Anreise:
- Von Kavala im Norden Griechenlands aus
- Vom Süden kommend aus Athen/Piräus
- Vom Osten aus der Türkei (Ayvalık)
Natürlich kannst du auch von einer benachbarten Insel anreisen – wie wir.
Unsere Anreise von Limnos nach Lesbos 2017
Wir nahmen im Frühjahr 2017 den Landweg nach Griechenland, verbrachten dann einige Tage auf Limnos, um dann unsere Reise nach Lesbos fortzusetzen. Beide Inseln werden ab Kavala von derselben Fähre angelaufen. Limnos empfiehlt sich daher auch als Stop-Over.
Unsere Fähre sollte um 01:00 ablegen. Wir gönnten uns daher ein extra-spätes Abendessen beim Dorf-Wirt von Kalliopi, um dann die etwa 30-minütige Fahrt in den Hafen von Myrina fortzusetzen. Tickets hatten wir nicht reserviert, dies ist in der Vorsaison nicht notwendig. Unsere Freunde vom Pezoula-Café, die auch ein Reisebüro betreiben hatten es am Abend unserer Abreise sogar versucht, scheiterten aber an der nicht vorhandenen Auswahlmöglichkeit „Camper“. Auch online gibt es die Option nicht, aber immerhin zum Finden der möglichen Fähr-Verbindungen ist die Website von HellenicSeaways die beste Option.
Die Überfahrt nach Lesbos ist mit etwa 4 Stunden zu kurz, um eine Kabine zu rechtfertigen. Halbschlaf im Pullman-Sitz ist daher das höchste der Gefühle. (Zufällig kann man Sitze nicht so unbequem designen, wir vermuten Absicht).
Als wir aufwachen, geht nur ein Fischer seiner Arbeit nach. Ich sitze mit meinem Kaffee vor dem Wohnmobil, blicke übers Meer in Richtung Türkei (das ist also die berüchtigte Flüchtlings-Strecke), der Fischer winkt mir zu. Ich freue mich, und winke zurück.
Unsere Abreise von Lesbos
Keine Angst, damit ist der Reisebericht noch nicht zu Ende. Aber weil es thematisch gerade dazu passt: Wir nehmen zwei Wochen später übrigens nicht dieselbe Fähre zurück nach Kavala, sondern wählen die Strecke nach Athen. So können wir auch noch Athen mit dem Wohnmobil erkunden, bevor wir unsere Heimreise in Richtung Norden antreten.
Ein Grund für diese Wahl ist, dass die Fährverbindung sehr günstig liegt. Abends geht es los, und gegen 6:00 früh legt die Fähre in Piräus an. Sightseeing, wir kommen. Camping an Bord ist leider nicht möglich, aber wir buchen eine Kabine und kommen so ausgeschlafen hat. Die Kabine ist mit zwei Einzelbetten, einem Fenster zum Bug sowie Dusche/WC ausgestattet. Preislich ergibt das dann insgesamt etwa €250 für zwei Personen, einen 6 Meter-Camper und Kabine.
Lesbos mit dem Wohmobil erkunden
Wir haben nicht die ganze Insel gesehen. Unser Ziel war nicht, jeden Abschnitt der Küste abzuklappern, und Lesbos lädt ein zum Relaxen und Verweilen. Zudem hatte Olya ein Surfcamp in Sigri gebucht, wir waren somit für 7 Tage relativ ortsgebunden. Dieser Artikel ist somit eher Reisebericht als Inselführer.
Nun, wir sind also auf Lesbos. Wie immer sind wir nicht wahnsinnig gut vorbereitet. Das Reisen im Wohnmobil reizt uns ja gerade wegen der Möglichkeit, einfach ohne Plan entdecken zu können. Erst in fünf Tagen sollte Olyas Surfcamp im Westen der Insel starten. Bis dahin können wir tun und lassen, was wir wollen. Was zuerst einmal bedeutet: Einen Fournos (Bäcker) suchen, und Tiropita, Spanakopita und Brot bunkern.
Gestärkt machen wir uns auf Erkundungstour. Berge gibt es auf Lesbos genügend. Wo immer man hin möchte, die Chancen stehen gut, welche überqueren zu müssen. Und das tun wir nun in südwestlicher Richtung.
Der Strand von Vatera
Nach einem Frappé in Polychnitos erreichen wir Vatera. Ein ehemals winziges Fischerdorf ist mittlerweile zu einer langgezogenen Feriensiedlung geworden. Grund dafür: Der mit 10km Länge größte Strand von Lesbos.
Ortskern gibt es keinen, eine Taverne reiht sich an die andere. Bevor wir uns dem leiblichen Wohl widmen, fahren wir aber ans Kap Agios Fokas. Die Taverne dort kennt zwar die Lösung für die Finanzkrise (siehe Bild), hat aber leider geschlossen.
Dennoch ist der Weg nicht umsonst, denn wir können zahlreichen Schildkröten unter einer Brücke zusehen. Wir besichtigen kurz den Tempel des Dyonisos, und fahren zurück an den Strand.
„Come, look! Fresh in kitchen!“
Wir wählen einen Schotterparkplatz und anschließend eine Taverne. Diese stellt sich als Glücksgriff heraus. Meine Kindheitserinnerungen an die Essensauswahl direkt in der Küche per Fingerzeig sind mittlerweile in großen Teilen Griechenlands ein Ding der Vergangenheit. Nicht aber hier „Come, look, fresh in kitchen“ sagt Maria, die Wirtin. Es gibt Kalb in Tomatensauce und gefüllte Zucchiniblüten. Ausgezeichnet.
Die Nacht am Schotterparkplatz ist ruhig.
Die Bucht von Kalloni
Morgens schläft Olya lange, ich genehmige mir ein Frühstück am Strand. Absolute Ruhe, nur ich, das Meer und ein Buch. Als ich nicht mehr stillsitzen kann, rolle ich mit dem Camper los – bald ist Olya auch wach. Nach 30min dirigiert sie mich bereits weg von der Hauptstraße, auf eine Piste. Wunderbar: Ein kilometerlanger und einsamer Strand empfängt uns. Wir finden den Ideal-Badeplatz des Wohnmobilisten: Wasserbrunnen, Stranddusche, Schatten. Olya badet, ich verrichte Arbeiten um den Camper.
Plötzlich bleibt ein griechisches Auto stehen, ein Paar steigt aus. Der Mann beginnt, große Wasserkanister zu befüllen, während seine Frau am Strand spazierengeht. Als das Wasser getankt ist, kommt die Frau auf Olya zu, und überreicht ihr eine Menge gesammelter Muscheln. Sie bedeutet ihr, dass sie daraus doch eine Kette machen solle. Einfach so. Weil sie sich gefreut hat, uns zu sehen. Wir konnten kaum miteinander kommunizieren, aber es war toll.
Sigri
Anschließend geht es weiter nach Sigri. Ein Paradis, wir fühlen uns sofort wohl. Für Wohnmobile gibt es nicht viel Platz, aber wir haben schon vorab einen Stellplatz organisiert. Nun thronen wir 2 Meter über dem Meer, direkt am Ufer. Genial!
In Sigri herrscht echtes Dorfleben. Einerseits wird unser Camper die ersten zwei Tage aus jedem vorbeifahrenden Auto misstrauisch beäugt. Andererseits sind es immer die gleichen Autos, und nach diesen zwei Tagen wurden wir akzeptiert. Offensichtlich geht von uns keine Bedrohung aus, und wir werden nun von vorbeifahrenden Autos freundlich winkend gegrüßt. Manchmal auch mit Hupe.
Der Ort selbst ist so, wie man sich Griechenland vor Jahrzehnten vorstellt. Man ist zwar auf Touristen eingestellt, aber in einer ruhigen, unaufgeregten Art und Weise. Die Tavernen kochen gut, Wirte freuen sich, wenn man wiederkommt.
Babis vom Calma Café ist eigentlich Sänger und Gitarrist, dank seiner Frau aber seit kurzem auch Wirt. Er hält wöchentlich Abende mit Live-Musik ab. Als wir ihm erzählen, dass wir eines Abends keinen Sitzplatz bekommen haben, organisiert er einfach einen semi-privaten Gesangsabend für uns Windsurfer. Only in Greece!
Da wir aufgrund Olyas Surfcamp nun stationär sind, ist unser Tagesablauf oft auf
- Shoppen beim Bäcker
- Frühstücken
- Surfen
- Snack
- Surfen
- Abendessen
beschränkt. Zur Abwechslung beschließe ich relativ spontan, Kiten zu lernen, und mache einen Kurs.
Skala Eressos
In Skala Eressos ist die namensgebende Bedeutung von „Lesbos“ begründet. Aus diesem Ort stammt nämlich die griechische Lyrikerin Sappho, deren Gedichte die Schönheit der Frauen…ähm, positiv hervorheben. Viel mehr scheint man nicht zu wissen, da ein großer Teil ihrer Werke zerstört wurde. Doch es reichte, um in den 60ern einschlägigen Tourismus nach Skala Eressos anzuziehen.
Mittlerweile machen die direkt auf den Strand gebauten Tavernen und Bars den größten Teil der Attraktivität Skala Eressos‘ aus.
Skala Eressos ist um einiges touristischer als Sigri. Wir genießen (als wir einmal mit dem Kastenwagen hinfahren) ein Abendessen, sind dann aber doch froh, spätabends wieder zurück an unserem ruhigen Stellplatz zu sein.
Die herzlichen Bewohner von Lesbos
Wir sitzen vor dem Bus und blicken aufs Meer. Vor uns ein Bootssteg mit einigen Fischerbooten. Einige Minuten vorher ist ein älteres, griechisches Paar auf ein Boot gegangen, und werkelt seither daran herum.
„DO YOU HAVE RUST SPRAY?“
Plötzlich ruft uns die Frau etwas zu.
- „Hello! Hellooo! You!“.
- „Ähm…..Yes??“
- „Do you have rust spray?“ („Habt ihr Anti-Rost-Spray?“).
Natürlich haben wir. Der Mann versucht gerade, den Außenborder zu entsperren, ein verrostetes Schloss widersetzt sich dem Unterfangen. Ich überbringe dem Paar eine Dose WD40, und Olya beginnt einen Tratsch. Es stellt sich heraus, dass das Paar in den USA lebt, und nur mehr im Frühjahr „zuhause“ vorbeischaut. Ich biete Getränke an, doch die Griechin lehnt ab – triumphierend zeigt sie uns ihre Kühlbox: Die beiden sind ausgerüstet.
Am nächsten Morgen (also, was für uns im Urlaub halt „Morgen“ bedeutet) blicke ich aus dem Bus. Auf unserem Tisch wartet ein riesiger Plastiksack. Die beiden Griechen waren für uns beim Bäcker, und wir können ein Frühstück mit allerlei Köstlichkeiten genießen. Für ein paar Tropfen WD-40 wollten sich die beiden offensichtlich erkenntlich zeigen, und wie in Griechenland üblich gleich überschwänglich. Wir können uns leider nicht mehr bedanken, da wir die beiden bis zu unserer Abreise nicht wiedersehen.
Dass es auf Lesbos ganz wenige Wohnmobilisten gibt, bedeutet auch, dass die Inselbewohner keine Vorbehalte uns gegenüber haben. Griechen sind ohnehin schon sehr freundlich, aber die Einwohner von Lesbos haben das, was wir vom Festland kennen, noch einmal getoppt. Ob geschenkter Muschelschmuck (siehe „Bucht von Kalloni“) oder Süßes vom Bäcker, es begegnen dem Reisenden viele herzliche Menschen. Wer Lesbos mit dem Wohnmobil bereist, entkommt ihnen garantiert nicht! ;)
Mountainbiken auf Lesbos
An Tagen, wo gar kein Wind da ist, schwinge ich mich aufs Mountainbike. Die Touren sind leider nicht sehr trail-lastig. Generell ist es schwierig, überhaupt durchzukommen, da es sehr viele Zäune gibt (was wir z.B. von Limnos überhaupt nicht kennen). Ist man mit Schotterwegen glücklich, gibt es aber viele Touren. z.B. zum versteinerten Wald hoch über Sigri, oder nach Skala Eressos.
Mit dem Mountainbike nach Skala Eressos
Ich sehe mir Skala Eressos erstmal auf die harte Tour an, und breche mit dem Mountainbike von Sigri auf. Entlang der Küste gibt es eine Schotterpiste, die zuerst nach Eressos (im Landesinneren) führt, dann hinunter an die Küste, eben nach Skala Eressos. Bei über 30°C ist es wichtig, mit genügend Wasser aufzubrechen. Man durchquert nun nämlich eine Wüste. Bis auf ein paar Schafen, und (leider) auch einigen Hirtenhunden begegnet man hier niemandem. 60km und einige hundert Höhenmeter macht die Tour ungefähr aus. Ein Mountainbike ist an sich nicht erforderlich (es beschleunigt aber die Berggb-Passagen ;-) Am Rückweg muss ich einige Male meinen Hinterreifen aufpumpen. Ich fahre zwar eigentlich ein tubeless-System, doch dieses scheint nicht für die großen und scharfen Dornen entwickelt worden zu sein, die sich hier auf der Straße befinden. Die Reifen-Reparatur sorgt auch in den nächsten Tagen noch für Unterhaltung der vorbeilaufenden Griechen, die den Österreicher ständig mit ölverschmierten Händen ein Hinterrad bearbeiten sehen…
Faneromeni Beach
Ein weiterer, kurzer Rad-Ausflug führt mich bis hinter den Faneromeni Beach.
Die Flüchtlinge auf Lesbos
Man kann das Thema Flüchtlinge bei einem Bericht über Lesbos nicht aussparen, schließlich ist das Flüchtlingsthema der Grund für die ausbleibenden Touristen auf Lesbos. Ist das berechtigt?
Flüchtlinge laufen generell nicht wahllos herum. Erzählungen zufolge kam es vor Jahren vor, dass Boote in verschiedensten Buchten auf Lesbos anlandeten. Mittlerweile scheint aber alles kanalisiert zu werden, und als Tourist bekommt man davon nichts mit. Flüchtlinge warten in Flüchtlingslagern auf einen möglichen Weitertransport. Wir haben in zwei Wochen auf der Insel nirgends auch nur irgendein Anzeichen eintreffender Flüchtlinge bemerkt.
Die einzige Ausnahme war das (mehrmalige) Durchqueren des Ortes „Moria“, wo sich das medial bekannte Flüchtlingslager befindet. Eine trostlose Angelegenheit. Links und rechts der Straße sieht man Zelte, und Menschen mit verzweifelten Gesichtern.
Wer nun Lesbos fernbleibt, weil dieser Anblick die Urlaubsstimmung trübt, der muss sich vielleicht doch Heuchlerei vorwerfen lassen. Diese Menschen sind nunmal in diesen Lagern, ob man das nun vom Auto aus sieht, oder am TV-Bildschirm. Und vielleicht ist es ja keine schlechte Idee, nicht immer ganz soviel Abstand zu dem zu haben, was auf der Welt noch so passiert.
Wunder Punkt: Ver- und Entsorgung auf Lesbos
Der Ort Vatera hatte übrigens mal einen Campingplatz. Da es das Schild an der Straße noch gab, machte ich mich per Fahrrad auf die Suche. Ich habe auch ein Gelände entdeckt, das eventuell mal ein Campingplatz gewesen sein könnte. Muss schon eine Weile her sein.
Weitere Campingplätze haben wir nicht gefunden. Wer Lesbos mit dem Wohnmobil erkunden will, muss daher darauf eingestellt sein, sich selbst versorgen zu können. Infrastruktur eines Campingplatzes gibt es schlicht und einfach nicht.
Man kann aber natürlich freundliche Griechen um Unterstützung bei Ver- und Entsorgungsthemen bitten: Das funktioniert. Dennoch wäre es natürlich begrüßenswert, wenn V/E-Stationen entstünden. Aber falls wir weiterhin die einzigen Lesbos-Reisenden bleiben, rechnet sich das wohl nicht.
Fazit
Lesbos mit dem Wohnmobil, das ist auf alle Fälle eine Empfehlung wert. Man sollte jedoch ein autarkes Wohnmobil besitzen, sonst wird es schwierig. Kann man sich mit einem einfachen, aber authentischen, griechischen Leben anfreunden, so kann man Lesbos durchaus zu den Geheimtipps zählen.
Ralf Hokenmaier
Wir sind seit 10 Monaten auf Lesbos, und können euch in allem zustimmen. Wir fühlen uns sauwohl und fragen uns ständig, wann wir weiterfahren. …
WoMo Guide
Hallo Ralf,
danke für den Kommentar! Oh, da werden wir gleich etwas neidisch. Genießt es! :)