Eine auf YouTube oft gestellte Frage lautet: „Seid ihr nicht auch Touristen?“ Gerne auch in der (etwas angriffigeren) Version: “Ihr seid doch auch Touristen!”, gefolgt von fragenden Vorwürfen, warum wir uns da erdreisten würden, das Wort “Touristen” zu verwenden, Regionen “touristisch” zu nennen, oder warum wir denn so blöd seien, solche Ziele anzufahren, nur um nachher “jammern” zu können.
Doch wie ist das eigentlich? Sind wir nicht auch Touristen? Warum nennen wir Reiseziele “touristisch”? Dürfen wir das? Muss man sich davon angegriffen fühlen? Und was unterscheidet uns möglicher Weise dann doch von anderen Touristen?
Inhalt
An wen sich dieser Artikel richtet
Wenn du hier gelandet bist, stehen die Chancen gut, dass du den Link zum Artikel als Antwort auf deinen YouTube-Kommentar (oder einen Kommentar auf anderen Kanälen) erhalten hast.
Wenn dem so ist, dann hast du uns wohl einen Kommentar hinterlassen, wie wir ihn schon 100 Mal erhalten haben.
- “Ihr seid doch auch Touristen! Warum beschwert ihr euch?”
- “Warum fahrt ihr dort hin? Das kann man doch vorher wissen, dann muss man hinterher nicht jammern”
- “Bleibt doch einfach zuhause, wenn’s euch nicht passt!”
Weil wir nicht immer wieder einzeln dazu Stellung nehmen wollen, tun wir dies nun gesammelt per Blogartikel.
Wenn du unseren Reisestil nachvollziehen kannst und/oder ähnlich reist, wie wir, dann wird der Inhalt dieses Artikels wohl keine neuen Erkenntnisse liefern. Wir freuen uns natürlich trotzdem, wenn du hier gelandet bist.
Warum wird eigentlich eine Rechtfertigung von uns erwartet?
Wir finden es gar nicht so leicht, ein Motiv für die Frage “Seid ihr nicht auch Touristen” zu finden. Denn wir haben noch nie behauptet, keine zu sein.
Für uns entsteht daher der Eindruck, dass sich die Fragesteller einfach angegriffen fühlen, wenn wir einen Ort nicht mochten, den die Kommentatoren schätzen, oder weil wir eine Region touristisch nennen.
Eines daher gleich vorweg: Es gibt keinen Grund, sich angegriffen zu fühlen. Jeder darf so reisen oder Urlaub machen, wie er möchte. Wir schreiben das niemandem vor.
Wenn man aber unsere Reiseberichte sieht, dann muss man mit unseren Erfahrungen und unserem Reisestil rechnen. Man muss damit umgehen, dass wir versuchen, positive UND negative Punkte herauszuarbeiten. Und damit, dass wir berichten, was uns gefällt, und was nicht.
Aber wirklich niemand soll sich davon angegriffen fühlen.
Das Wort „touristisch“
Beginnen wir Mal mit dem Wort “touristisch”. Denn immer wieder stören sich einige daran, wenn wir eine Region so beschreiben. Dabei ist das Wort erstmal nur beschreibend, nicht wertend.
den Tourismus betreffend
Duden.de
Eine touristische Region ist eine Region, die Angebote für Touristen geschaffen hat, und die dann eventuell maßgeblich vom Tourismus lebt. Eine Region, wo man dann logischer Weise auch Touristen antrifft. Nicht mehr, und nicht weniger.
Das Tourismus-Spektrum
Logischer Weise gibt es aber nicht nur
- Untouristische und
- Touristische Orte.
Sondern es gibt ein Spektrum.
- Es gibt Regionen ohne relevanten Tourismus,
- es gibt sanften Tourismus,
- es gibt aber auch Massentourismus in all seinen Ausprägungen.
- Und dazwischen haben unzählige Zwischenschritte Platz.
Um darüber zu sprechen, um Orte zu charakterisieren, verwenden wir das Wort, das dafür quasi “erfunden” wurde: Touristisch. Da ist nichts Böses dran.
Wir versuchen in letzter Zeit ohnehin schon, die Wortwahl zu variieren, und von Besuchern, Reisenden, und Urlaubern zu sprechen. Aber wer sich an unseren Reiseberichten stößt, wird sich davon wohl nicht besänftigen lassen, und mal ehrlich: Es wäre ja auch ein wenig kindisch, denn in der Sache bleibt die Aussage die gleiche.
Alternativen?
Mittlerweile sicher zwanzig Male haben wir Kommentarschreiber gebeten, uns doch mitzuteilen, wie wir einen – nach jedem Maßstab – touristischen Ort denn nennen sollen, um damit niemandem auf den Schlips zu treten. Die Frage blieb bis heute ausnahmslos jedes Mal unbeantwortet. Denn zu Stänkern ist einfach, und Lösungsvorschläge sind dann doch etwas schwieriger. Insbesondere, wenn man ohnehin nur austeilen will, und das Wort „touristisch“ nicht tatsächlich das Problem ist.
Das hätte man doch wissen können!
Oft hören wir dann “das hättet ihr doch vorher wissen können. Warum fahrt ihr dort hin, wenn’s euch nicht gefällt?“
Da müssen wir ein wenig ausholen:
- Ja, oft haben wir’s tatsächlich auch vorher gewusst, und fahren trotzdem hin
- Manchmal hätten wir’s wissen können, haben aber nicht recherchiert. Das ist trotzdem kein Problem.
Unser Reisestil
Für Unverständnis sorgt oft das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Reisestile. Als Touristen bezeichnet man ja erstmal grundsätzlich alle, die an einen anderen Ort reisen. Doch wie das geschieht, und zu welchem Zweck man das macht, ist entscheidend für Ziele und Erwartungshaltung.
Wir gehören mit unserem Reisestil sicherlich keiner Mehrheit an, weshalb es auch immer wieder Verständnisschwierigkeiten kommt.
Hier daher die offensichtlichsten Unterschiede unseres Reisemodus zu denen der meisten, die man umgangssprachlich als Touristen tituliert:
- Wir machen zu 95% keinen Urlaub, sondern wir Reisen. Anders als Urlauber nehmen wir nicht für wenige Wochen eine Auszeit vom Arbeits-Alltag um dann das Leben am Urlaubsort zu genießen. Stattdessen leben wir unseren Alltag unterwegs, arbeiten auch von unterwegs, und aus diesem Unterschied ergeben sich natürlich andere Ansprüche, Anforderungen und Erfahrungen.
- Wir machen überwiegend Langzeitreisen über mehrere Monate. Wir hetzen daher nicht von einem Sightseeing-Ziel zum nächsten, sondern nehmen den altbekannten Spruch “Der Weg ist das Ziel” ziemlich ernst.
- Wir arbeiten nicht nur von unterwegs, sondern das Reisen gehört auch zu unserer Arbeit. Wir machen YouTube-Videos, wir schreiben Blogartikel und Bücher. Das bedeutet einen enormen Unterschied zum Alltag der meisten Touristen, die zu 99% eben Urlauber sind.
- Unser Reisestil unterschied sich immer schon von dem, was geschätzte 90% der Urlauber machen. Damit sind wir nicht alleine, aber für jene 90%, die nicht so reisen wie wir, führt das manchmal zu Auffassungsunterschieden.
Urlaub oder Reisen?
Eine Quelle vieler Missverständnisse ist der Unterschied zwischen Urlaub und Reisen.
Wir wollen uns gar nicht herausnehmen, diesen Unterschied exakt definieren zu wollen. Der Eindruck, den wir aus vielen Rückmeldungen gewinnen ist aber jener, dass “Urlaub” für viele ein reines “Genießen” oder “Ausspannen” ist, oft vorab recht detailliert durchgeplant und möglichst frei von Überraschungen und negativen Ereignissen. Im Urlaub soll möglichst nichts schiefgehen.
Das ist legitim und wir haben daran nichts auszusetzen. Wer Erholung von einer stressigen, beruflichen Tätigkeit braucht, sucht nachvollziehbarer Weise nach einem entspannten Erlebnis ohne Unwägbarkeiten, und diese Art von “Urlaub” ist dann möglicherweise für viele genau das Richtige.
Reisen ist aber grundsätzlich etwas völlig anderes. Ohne, das in irgendeiner Weise werten zu wollen, haben die beiden Wörter nur die Ortsveränderung gemein. Inhalt, Erlebnisse und Ansprüche sind aber nur zu einem geringen Grad deckungsgleich.
Beim Reisen geht es für uns ums Entdecken, ums ziellose Unterwegssein, um das Ungeplante, um spontane Erlebnisse. Also ziemlich genau darum, was viele Urlauber vermeiden wollen.
Diesen Unterschied muss man sich bewusst machen, wenn man unseren Reisestil (der übrigens durchaus auch ein Urlaubsstil sein kann, es aber für viele nunmal nicht ist) verstehen möchte. Und unseren Reisestil zu verstehen ist Grundvoraussetzung, um unsere Berichte zu verstehen.
Was wir auf Reisen suchen
Bevor wir auf einige der Gründe für unseren Reisestil eingehen, wollen wir generell darüber sprechen, was wir auf Reisen eigentlich suchen. Auch, als wir noch ganz normale Angestellte waren und unsere Reisen maximal vier Wochen lang waren haben wir diesen Reisestil praktiziert, und dieser Reisestil ist es, der Reisen für uns ausmacht.
Reisen bedeutet für uns, einfach loszuziehen. Meist nur mit einem sehr groben Plan, der sich manchmal sogar auf die Himmelsrichtung beschränkt (und selbst dann schaffen wir’s, einen solchen Plan umzuwerfen).
Wir genießen es, nicht zu wissen, wo wir am nächsten Tag aufwachen werden. Wir freuen uns mehr darüber, zufällig über ein Kleinod zu stolpern, als aus dem Reiseführer 10 Must-See-Ziele herauszusuchen und diese dann abzuklappern.
Denn wenn wir schon wissen, was uns erwartet, dann fehlt uns dabei der Überraschungs-Effekt, das Entdeckergefühl, das für uns ein ganz wesentlicher Aspekt des Reisens ist.
Das ist für viele nicht nachvollziehbar. Und das ist okay. Aber wir können nur wiederholen: Es ist wichtig, unseren Reisestil zu verstehen (wenn man ihn schon nicht nachvollziehen kann), um unsere Reiseberichte zu verstehen.
Wir suchen eben nicht ein perfekt durchgeplantes Erlebnis, wo jeder Tag ein Highlight bietet, das man allerdings vorher schon aus dem Reiseführer kannte und bei dem nichts schiefgehen darf. Einige unserer lustigsten und spannendsten Reisegeschichten sind das Resultat von Pleiten und Pannen.
Wir genießen es, die Locals kennenzulernen und uns auszutauschen und Ort so zu erleben, wie sie von den Locals erlebt werden.
Das gelingt an Orten, wo Locals nur mehr als Kellner und Zimmermädchen arbeiten, und ansonsten alles auf Touristen ausgerichtet ist, so gut wie gar nicht, weshalb wir solche Orte nicht besonders schätzen.
Authentische Erfahrung oder Touri-Klamauk?
Regelmäßig beschreiben wir Orte als “künstlich”, “ultratouristisch” oder “rein auf den Tourismus ausgelegt”, wenn sie das nunmal sind. Und genau so regelmäßig hören wir auch darauf die – nicht besonders sinnvolle – Entgegnung: “Ihr seid doch auch Touristen”.
Nicht besonders sinnvoll ist diese Entgegnung hier aus mehreren Gründen.
- Wie an anderer Stelle erwähnt muss man Massen nicht toll finden, nur weil man als Einzelner zu dieser Masse beiträgt. Das wäre ungefähr so logisch wie zu sagen, dass Reinhold Messner sich nicht kritisch zum Bergsteiger-Massenauftrieb auf den Mount Everest äußern darf, weil er ja selbst Bergsteiger sei.
- Darüber hinausgehend zeigt sich hier aber ein eklatantes Unverständnis darüber, was wir auf Reisen sehen möchten. Denn wir suchen einfach nur nach dem „Echten„, und nicht nach künstlichen Erlebniswelten, die für Touristen geschaffen wurden.
Wenn die Sensorik unterschiedlich kalibriert ist
Ohne jetzt irgendwem zu nahe treten zu wollen, aber es gibt offensichtlich Touristen, denen jegliches Gespür dafür fehlt, ob sie gerade ins echte Leben des bereisten Landes eintauchen, oder ob ihnen eine reine Show geboten wird.
Eine Show, die von Tourismus-Treibenden entwickelt wurde, manchmal mit dem Ziel, Authentizität vorzugaukeln (“Traditionelle Tanzshow”), viel öfter aber auch völlig ohne diesen Anspruch (“Wasserrutschen-Vergnügungsparks”).
Und wenn man diesen Unterschied zwischen
- für Touristen geschaffenen, zu keinem sonstigen Zweck existierenden, künstlichen Umgebungen einerseits, und
- echten, organisch gewachsenen Orten mit Historie und Charakter andererseits
nicht bemerkt, dann ist es nachvollziehbar, dass man auch unsere kritischen Worte nicht einordnen kann.
Dagegen können wir wenig mehr tun, als ausführlich zu erklären, was für uns beim Reisen wichtig ist.
Was wir (nicht) suchen
Wir persönlich brauchen
- keinen Pool mit Animation und Cocktail-Bar,
- keine Vergnügungsparks und
- schon gar keine britischen Fish&Chips-Restaurants in Spanien.
Wir finden
- Bratwurst und Schwarzwälder Kirschtorte in Spanien fehl am Platz,
- und möchten in Ländern mit anderen Landessprache auch nicht in unserer Muttersprache im Restaurant begrüßt werden.
Wir mögen es ebensowenig, wenn wir als Touristen ganz klar als wandelnde Geldbörse gesehen werden, und unsere Preise nicht dieselben sind, die die Locals zahlen.
Das ist keine Kritik an Leuten, denen genau diese Dinge gefallen. Wir verstehen sie zwar nicht, und wir glauben, dass man einer Region mit solchen Erwartungshaltungen auch nichts gutes tut. Aber wir wollen das an dieser Stelle nicht werten. In diesem Artikel geht es darum, unseren Reisestil zu erklären, damit auch unsere Bewertung von Orten verstanden werden kann.
Wo wir uns wohlfühlen
Wir möchten Regionen bereisen, die einen eigenständigen Charakter bewahrt haben. Regionen, wo sich das echte Leben abspielt, also kein rein künstlicher Tourismus-Klamauk, sondern eben der Alltag von Leuten, die dort Leben (ohne zu 95% im Tourismus zu arbeiten). Orte, wo man noch als Gast gesehen wird, und nicht als Tourist #1000 mit dem man dasselbe Programm abzieht, wie mit den 999 davor.
Und weil das so gerne missverstanden wird: In diesen Regionen darf es durchaus Touristen geben. Regelmäßig wird uns ja vorgeschlagen, wir sollen in die Wüste oder den Dschungel gehen, wenn wir keine Leute sehen wollen.
Nun ist es ja komplett naiv zu erwarten, heute noch irgendwo alleine als einziger Tourist aufzutauchen, und wer unsere Aussagen in diesem Sinne versteht, tut das wohl mit Absicht, um dann Stänkern zu können. Wir haben nichts gegen Leute oder andere Touristen.
Aber in Orten, die wir mögen, treten Touristen in verträglichen Maßen auf, und die lokalen Gebräuche, die lokale Lebensart werden nicht komplett übertüncht.
Und wenn man das nachvollziehen kann, dann ist es wahrscheinlich doch auch verständlich, dass wir ultratouristische Orte auch so bezeichnen. Denn irgendwie müssen wir die Regionen ja beschreiben. Wenn sie in unseren Augen “unecht” sind, dann schulden wir es unserem Publikum, das auch so zu berichten. Von Schönfärberei hat niemand etwas, der Reiseberichte nicht zur reinen Unterhaltung sieht, sondern für sich selbst auch etwas daraus mitnehmen möchte.
Urlaub vs. Arbeit
Über den Unterschied von Reisen und Urlaub hinausgehend gibt es in unserem Fall noch einen weiteren, wichtigen Unterschied zu einer Urlaubsreise:
YouTube gehört zu unserem Job. Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt (zum Teil) damit und investieren Zeit in den YouTube-Kanal, die als reines Hobby nicht nur nicht rechtfertigbar wäre, sondern schlicht nicht leistbar wäre, wenn man daneben noch einem normalen Job nachgeht.
Wenn wir also zum Beispiel nach Gran Canaria fahren, dann können und wollen wir nicht nur zu den Punkten fahren, wo wir vorher schon wissen, dass sie uns gefallen werden.
Wir wollen über die Insel berichten, und da gehört’s halt dazu, dass wir uns „alles“ ansehen. Selbst dann, wenn wir vorher wissen, dass es nichts für uns sein wird. Wir können in einem Video schlecht sagen „dort fahren wir nicht hin, weil irgendwer hat im Internet geschrieben, dort ist’s blöd„. Das wäre ja kein Bericht. Wir müssen das selbst erfahren.
Ja, YouTube ist eine berufliche Tätigkeit
Dass YouTube ein Beruf ist, sorgt generell oft für Verständnisschwierigkeiten.
Würdest du einen Geschäftsreisenden Tourist nennen? Streng genommen ist der ja auch einer, und dennoch würden die meisten ohne Diskussion einsehen, dass ein Geschäftsreisender wenig gemein hat mit dem Urlaubs-Touristen, der sich zwei Wochen im All-Inkl. Ressort verwöhnen lässt. Und wir sind sozusagen meist auf Geschäftsreise. Das kann man jetzt, wenn einem daran gelegen ist, abwerten, und uns erklären, dass wir doch “nur YouTuber” seien. Aber mit Leuten, die das tun, lohnt sich ohnehin keine Diskussion.
Beispielsweise arbeiten wir an einem Guide für die Kanaren im Wohnmobil – das geht nur, wenn wir uns so halbwegs „alles“ ansehen. Unser Ziel ist nicht, an Stränden zu liegen und das Leben zu genießen.
Wie gesagt – das ist unser Job, während YT von den meisten halt trotzdem immer als Hobby gesehen wird. Das beißt sich dann halt.
„Genießt doch einfach mal!“
Schlaue Kommentare wie “könnt ihr denn nicht Mal nur genießen” sind also ähnlich schlau, wie wenn man diese einem Fernsehkommentator schreiben würde. Und die Frage “warum beschwert ihr euch?” verkennt eben unseren Reisezweck UND verwechselt eine Situationsbeschreibung mit einer Beschwerde.
Recherche ersetzt kein Erleben
Natürlich kann man viele Dinge vorab recherchieren – manchmal tun wir das, manchmal nicht. Eine Recherche ändert jedenfalls nichts daran, dass wir dennoch selbst hinfahren, und uns unser eigenes Bild machen wollen.
Wenn uns dann die Frage “na was habt ihr denn erwartet?” gestellt wird, dann lautet die Antwort oft: “Im Prinzip genau das, was wir erlebt haben.”
Dass die Südküste Gran Canarias nicht unsere Lieblingsdestination sein würde, wussten wir vorher. Wir hatten das sogar in Videos so angekündigt, weshalb man uns die Frage auch nicht so provokant stellen müsste (außer, man fühlt sich eben kritisiert und möchte einfach austeilen).
Wir waren aus den genannten Gründen trotzdem dort, weil wir
- halt nicht nur für uns reisen, sondern für Blog, YouTube und eventuelle, zukünftige Projekte
- wir uns oft einen eigenen Eindruck verschaffen wollen
Natürlich ist so ein Tag kein entspannter Genießer-Tag. Es ist ein “Tag im Büro”, sozusagen.
Beschwerden oder objektive Berichte?
Oft wird uns in diesem Zusammenhang dann vorgeworfen, zu “jammern” oder uns zu “beschweren”.
Das mag teils einem sprachlichen “Nord-Süd-Gefälle” geschuldet sein. Wir Österreicher “sudern” halt gerne – das mag sich für ungeübte Ohren wie eine Beschwerde anhören, bedeutet aber mitnichten, dass wir etwas insgesamt schlecht finden, uns unwohl fühlen oder gar eine Änderung fordern.
Noch mehr aber liegt es oft an einer Erwartungshaltung, dass ausschließlich positives erwähnt werden solle.
Unsere Berichte sollen aber informieren, und zu Information gehören nicht nur schöne Sonnenuntergänge. Feel-Good-TV (“wir sind so dankbar, hier sein zu dürfen, es ist alles so toll”) gibt’s bei uns aber nun mal nicht. Wir glauben, dass es niemandem hilft, die weniger schönen Aspekte einer Reise auszublenden.
Wir versuchen, objektiv und neutral zu berichten. Wir zeigen die schönen Seiten, erwähnen aber auch die weniger schönen Seiten. Und oft wird dann sehr selektiv zugehört, und uns werden bei einer Pro/Contra-Auflistung die Contras vorgeworfen.
Wenn wir bei einer V/E-Station erwähnen, dass es kein Frischwasser gibt, dann ist das eine wichtige Info für alle, die auch dort hinfahren wollen. Das ist kein “Schlechtmachen”, wie es doch tatsächlich eine Kommentatorin verstehen wollte. Wenn man an einem Ort zwar übernachten kann, aber einen Meter neben der vielbefahrenen Hauptstraße steht, dann erzählen wir davon, dass es sich um keinen idealen Übernachtungsplatz handelt. Auch daran stoßen sich dann wieder einige. Aber was, wenn wir das nicht machen? Dann fährt der nächste in der Erwartung des idealen Platzes hin und hält uns dann für etwas seltsam oder gar unehrlich, weil wir den Verkehrslärm nicht erwähnt haben.
Wir erwarten nicht, dass uns alle zu 100% zustimmen und eine Umgebung gleich wahrnehmen würden, wie wir das tun.
Aber aus der Darstellung unserer Realität kann man für sich wahrscheinlich etwas ableiten. Wenn wir hingegen, wie immer wieder von Einzelnen gefordert, ausschließlich positiv berichten würden, weiß ich nicht, was man daraus noch mitnehmen könnte.
Erwartungshaltung: Keine Meinung?
Über die objektive Berichterstattung hinausgehend sind wir aber auch Menschen mit Emotionen und Empfindungen, und wenn wir eine Region bereisen, dann dürfen wir dazu doch tatsächlich eine Meinung haben. Mit dieser Meinung haben einige dann offensichtlich ein Problem.
- Aber muss man Ziele, zu denen man fährt, automatisch toll finden?
- Ist es nicht legitim, auch Negatives an den bereisten Zielen zu finden?
Manche identifizieren sich anscheinend sehr mit von ihnen gewählten Reisezielen (das Muster findet sich gleichermaßen bei Produkt-Reviews), und wenn sich dann jemand erdreistet, diese zu kritisieren, dann finden das diese Zuseher gar nicht toll.
Wir können aber rein praktisch nicht nachvollziehen, was die Erwartungshaltung ist.
Oft sind wir nämlich tatsächlich vorab auf ein touristisches Ziel eingestellt. Nur was machen wir jetzt mit dieser Erwartung?
Sollen wir uns hinstellen und sagen „Alles super hier! Ich bin ja hergefahren, also kann ich nicht zugeben, dass wir’s nicht perfekt finden! Extremes Gedrängel, man bekommt kaum Luft, und Fotos ohne 100 Köpfe und 3 Ellbogen in der Seite sind auch nicht möglich. Einfach toll!„?
Ist das wirklich die Erwartungshaltung? Beim Mont Saint Michel klang es in den Kommentaren so:
Diese Erwartungshaltung können wir leider nicht bedienen. Wir nehmen’s so, wie’s kommt, aber erzählen halt auch, was wir davon halten. Nicht mehr, und nicht weniger.
Dem impliziten Wunsch nach Gleichmacherei (“Alle Ziele sind gleich toll”) können wir ebenfalls nicht nachkommen. Denn nein, es sind nicht alle Ziele gleich. Das ist ja auch das tolle am Reisen, und wären alle Ziele gleich, könnte man sich Reisen logischerweise sparen.
Und weil nicht alle Ziele gleich sind, muss man darüber reden dürfen, wenn man aus einem Reisebericht für sich etwas ableiten möchte. Sonst verkommen Reiseberichte zu lustigen Bildershows ohne echten Mehrwert für das Publikum.
Uns vorschreiben zu wollen, wie wir was empfinden sollen, wohin wir fahren dürfen, und was wir berichten dürfen, ist zudem ein wenig schräg.
Reisen per Camper funktionieren so
Wenn wir gefragt werden “warum fahrt ihr auch an so einen touristischen Ort?” fehlt es teilweise auch an praktischen Überlegungen, wie Reisen per Camper funktionieren.
Wir werden ja nicht per Flugzeug und Shuttle Bus an einem bestimmten Ort ausgeladen. Wir bewegen uns mit unserer Behausung fort, und können nicht immer nur an perfekten Orten landen. Wir müssen zwischendurch auch mal Einkaufen, Wasser tanken und die Toilette leeren. Es gibt daher auch externe Faktoren die manchmal bestimmen, wo wir landen (müssen).
Wenn wir nun zum Beispiel eine Inselrundfahrt Teneriffas machen, liegt es in der Natur der Sache, dass uns einige Orte besser, und andere weniger gut gefallen. Aber wir werden grundsätzlich alle Orte entlang der Küstenstraße durchfahren (müssen) – unseren Beamer hatten wir ja ans Raumschiff Enterprise verliehen und bis heute nicht zurückbekommen.
An manchen der Orte werden wir ungeplant mehr Zeit verbringen, als gedacht.
- Zum Beispiel, weil wir dort Wasser bekommen können oder für die Nacht parken können.
- Manchmal kommen wir kurz vor Sonnenuntergang an und haben, selbst wenn es uns nicht gefällt, keine realistische Möglichkeit mehr, am selben Tag etwas anderes zu finden.
Zu einigen Orten weiß man vorab, dass sie extrem touristisch sind, manchmal wird man davon aber auch einfach überrascht (weil man aufgrund der Landkarte eher eine ruhigere Gegend vermutet hatte, oder weil Berichtschreiber im Internet ein anderes Empfinden haben, als wir selbst).
Warum also fahren wir an solch touristische Orte?
- Weil sie auf der Route liegen,
- weil wir nicht wussten, wie touristisch sie sein würden,
- weil es dort Möglichkeiten zum Parken/Wassertanken/Toilette-Entleeren gibt, die wir sonst in der näheren Umgebung nicht finden, usw.
- Weil wir wissen, dass sie touristisch sein werden, aber unseren Besuch für unsere Berichterstattung dennoch wichtig finden.
Und dann berichten wir halt darüber und beschreiben den Ort halt so, wie er aus unserer Sicht ist.
Manchmal ist Kritik auch angebracht
Auch, wenn uns oft Kritik unterstellt wird, wo wir eine reine Situationsbeschreibung im Sinne hatten: So, dass wir nichts kritisieren, ist es natürlich auch nicht. Dort, wo Kritik angebracht ist, äußern wir sie natürlich auch. Denn wir nützen unsere Reichweite dazu, zumindest den Versuch zu unternehmen, Bewusstseinsbildung zu betreiben um die Freiheit auf vier Rädern noch länger beizubehalten, und für gegenseitige Rücksichtnahme einzutreten.
- Massentourismus ist beispielsweise selten eine schöne Sache
- Camper, die mit ihrem Fehlverhalten dafür sorgen, dass Plätze gesperrt werden, benennen wir auch
- Rücksichtslose Kollegen, die die einfachsten Camperregeln nicht kennen, könnten in unseren Videos durchaus entsprechend gezeigt werden
- Campingplätze, die vollständig auf eine Nation ausgerichtet sind und dann zum Beispiel “Deutschland nach Spanien” verfrachten, müssen sich entsprechende Anmerkungen gefallen lassen.
- Regionen, die Touristen auf österreichisch “aussackeln” wollen, sie also als reine Geldbringer sehen und nicht als Gast, müssen ebenfalls mit Kritik rechnen
Es liegt nun in der Natur der Sache, dass die Adressaten dieser Kritik (oder jene, die sich mit den entsprechenden Plätzen/Regionen identifizieren), das Bedürfnis haben, uns gegenüber auszuteilen um sich (jedenfalls dem eigenen Empfinden nach) von der Kritik freizumachen. Damit müssen wir leben, es wird aber nicht dazu führen, dass wir keine Kritik mehr äußern oder keine Meinung mehr haben dürfen.
„Aber die Regionen leben vom Tourismus„
Ebenfalls wird uns gerne erklärt, dass die betroffenen Regionen ja vom Tourismus leben. Mal ehrlich: Auf der Nudelsuppe sind wir nicht dahergeschwommen, und man muss uns nicht jede Binsenweisheit erklären. Als ob wir den Regionen ihre Lebensgrundlage entziehen wollten, wenn wir einen Ort “touristisch” nennen. Das ist schon sehr weit hergeholt.
Keiner hat gesagt, dass Touristen schlecht sind, aber UNS muss es deshalb nicht gefallen. Wenn andere gerne in künstliche Touri-Dörfer fahren, wo sie für’s qualitativ suboptimale Touri-Essen, das mit der lokalen Küche nicht viel zu tun hat, mit überhöhten Preisen abgezockt werden, solange sie dort nur nicht ein Wort in einer Fremdsprache verwenden müssen, dann sollen sie das gerne tun. Für uns ist das nichts und nachdem es sich um unsere Berichte handelt, und nicht die der anderen, sagen wir das so, wie wir’s empfinden.
Der Einwand verkennt außerdem, dass die Bewohner der betroffenen Regionen das oft selbst nicht anders sehen, als wir. Gerade auf unserer Kanaren-Rundreise wurde uns mindestens zehn Mal von Kommentatoren auf YouTube erklärt, dass wir den Tourismus nicht kritisieren dürfen, weil die Inseln diesen bräuchten.
Und es stimmt, 80% der Wirtschaftsleistung der Kanaren entstammt dem Tourismus. Doch das das ist für die Canarios keineswegs so positiv, wie einige zu denken scheinen. Erstens führt es sie in eine Abhängigkeit, die schnell unangenehm werden kann (siehe Besucherzahlen-Einbrüche der Corona-Krise). Zweitens führt diese Jobmarkt-Monokultur zu schlechten Gehältern, die oft auch von ausländischen Investoren diktiert werden, bei gleichzeitig hohen Mietpreisen, die von Touristen und AirBnB getrieben werden.
Es gibt noch viele weitere Faktoren, aber das soll hier nicht ausufern. Man kann sich aber in Online-Foren in Spanisch leicht einen Eindruck darüber verschaffen, dass die Canarios selbst den Massentourismus sehr kritisch sehen. Und das ist in vielen Regionen der Welt so.
Sind wir nun Touristen, oder nicht?
Natürlich sind wir gemäß der Wortbedeutung Touristen. Aber nur, weil man uns ein Etikett aufklebt („Touristen“) heißt das noch lange nicht, das wir uns in Ansprüchen, Reisestil, Verhalten und Meinung mit allen anderen einig sind. (Dazu gleich mehr)
Viel wichtiger aber ist, dass Frage und Antwort komplett irrelevant für unsere Reiseberichte sind.
Weder ergibt sich aus der Antwort, ob wir andere Touristen wahrnehmen dürfen, noch ob wir über Touristen und touristische Regionen berichten dürfen, und ob wir eine Meinung dazu haben dürfen.
- Oder darf ein Hotelurlauber keine Meinung zu Hotels haben?
- Darf ein Flugreisender nicht über Flugreisen berichten?
- Ist es einem Radreisenden gestattet, die Radwege-Infrastruktur einer Region zu beschreiben und eventuell auch zu kritisieren, oder wird ihm dann ein erbostes “Aber du bist doch auch Radfahrer” entgegengeschleudert?
Wenn man das auf die Spitze treibt, sind wir alle Menschen, und dementsprechend dürfte dann niemand mehr eine Meinung zu irgendwas haben dürfen, oder gar darüber berichten. Das ergibt keinen Sinn.
Sind wir “Teil des Problems?”
Gerne wirft man uns vor, dass wir doch auch Teil des Problems seien. Wie kommen wir dazu, uns über Touristen zu beschweren, wenn wir doch dazugehören?
Nun, zum wiederholten Male: Wir beschweren uns nicht über den Umstand, dass es Touristen gibt. Wir berichten aber eventuell, dass es an einem Ort viele Touristen gibt, damit unser Publikum das auch weiß und in eigenen Reiseplanungen berücksichtigen kann. Und eventuell wagen wir dann noch zu erwähnen, dass ein Ort nichts für uns persönlich ist, WEIL es dort zu viele Touristen gibt. Das ist nicht dasselbe, wie eine Beschwerde. Es ist eine Bestandsaufnahme.
Die Annahme, die der provokanten Frage “Seid ihr nicht auch Touristen” zugrunde liegt, ist offensichtlich die, dass wir – wenn wir denn auch Touristen sind – Teil des Problem sind und daher das Problem nicht benennen dürften. Das ist ungefähr so logisch wie jedem Bewohner eines 1. Welt-Landes das Recht abzusprechen, auf den Klimawandel zu sprechen. Schließlich ist man auch da Teil des Problems.
Egal, wie man zum Rest unserer Ausführungen steht, egal, ob man uns nun auch für “normale” Touristen hält oder nicht, und egal, ob man das Wort jetzt als negativ empfindet oder nicht: Es ist schlicht unlogisch, daraus ableiten zu wollen, dass wir Regionen nicht mehr touristisch nennen dürfen, wenn wir Teil der Touristenmasse sind. Das ergibt gar keinen Sinn, denn es geht um eine objektive, faktische Beschreibung.
Und selbst wenn wir zu unserem subjektiven Empfinden kommen, fehlt jede Berechtigung, uns einen Maulkorb verpassen zu wollen. Auch, wenn man Teil davon ist, muss man Massen nicht toll finden, und unserer Meinung dürfen wir auf unserem Kanal schon Ausdruck verleihen.
Touristen sind nicht gleich Touristen
Und dann bleibt da noch das Faktum, dass Touristen am Ende doch nicht gleich Touristen sind. Schon das allzeit beliebte “wir sind doch alle Camper” ist im Spektrum von Dauercamper im Wohnwagen über Van-Roadtripper bis hin zum Weltreisenden per Fahrrad und Zelt ziemlicher Unsinn.
Uns aber mit Pauschal-Urlaubstouristen und Massentourismus in einen Topf werfen zu wollen, ist aber fast noch weiter hergeholt:
- Nein, wir sind nicht die, die weltweit deutsche Speisekarten erwarten.
- Wir gehören nicht zu denen, die ein völlig überzogenes Preisniveau bezahlen, weil „sie halt im Urlaub sind“ (sind wir nicht) “und es eh egal ist“ (ist es für uns nicht), und damit die Region verziehen (und für die Locals unleistbar machen).
- Wir erkennen, ob ein Lokal von Locals besucht wird, und wahrscheinlich schon 30 Jahre existiert, oder ob es von einer internationalen Kette betrieben wird und mit authentisch und lokal nichts zu tun hat.
- Wir fahren nicht absichtlich dort hin, wo schon 10.000 andere sind, weil wir „Party und Entertainment“ suchen.
- Wegen uns muss niemand grauenhafte Betonklötze von Hotels in Naturschutzgebiete stellen.
- Wir fahren nicht primär die Superlativ-Instagram-Ziele an, um das selbe Foto zu machen, das schon 3 Millionen Mal hochgeladen wurde.
Das sind nur einige der Punkte, die uns von vielen Touristen unterscheiden. Diese Punkte erklären sicherlich auch, warum uns manche Ziele mehr, und andere weniger gefallen. Uns mittels des Begriffs „Tourist“ in einen Topf werfen zu wollen entbehrt jeglicher Logik, und ist nicht sonderlich durchdacht. Mit der gleichen Logik könntest du sagen „ihr seid doch auch Menschen“. Das hat genau so viel Aussagekraft.
Fazit
Ja, wir sind sicherlich Touristen. Gleichzeitig haben wir aber mit der überwiegenden Mehrheit der Touristen wenig gemeinsam. Und völlig unabhängig davon dürfen und wollen wir Orte objektiv beschreiben. Und mehr noch, wir dürfen dazu dann doch tatsächlich auch noch unsere eigene Meinung haben, die wir auf unseren Kanälen vertreten. Das finden wir für unser Publikum nützlicher, als reine Bildershows ohne Informationsgehalt. Niemand muss sich von unseren Beschreibungen angegriffen fühlen, und wenn wir tatsächlich Kritik an Fehlverhalten üben wollen, dann tun wir das auch bewusst. Achja, und das österreichische Sudern ist kein „Beschweren“, aber das ist eine andere Geschichte.
Dieter Moll
Hallo Ihr Zwei,
Danke Euch für diesen Beitrag, der mir nochmal vor Augen führt, warum ich selten Kommentare lese, warum ich mich in Foren nie wirklich abgeholt oder verstanden fühle und warum ich Eure Reiseberichte sehr gern verfolge. Diese Erklärung oder beinahe schon Rechtfertigung für Euren Reisestil weckt in mir die philosophische Frage: „Ist es möglich, in einem Reisemobil Urlaub zu machen?“ Oder ist es nur möglich, seine Urlaubszeit mit Reisen zu verbringen? Ich vermute, das viele, die sich in den letzten Jahren für ein Reisemobil entschieden und dadurch einen wahnsinnigen Boom in dieser Branche ausgelöst oder auch nur erheblich verstärkt haben, sich falsch entschieden haben. Sie haben sich nämlich für ein Wohnmobil als Alternative zum Wohnwagen entschieden und sind damit einem Trend gefolgt. Der klassische Urlaubstourist – so meine Vermutung – folgt gerne Trends, weil mit Urlaubsorten, Urlaubsmitbringseln oder Urlaubsgeräten, die nicht angesagt sind, können sie keinen Eindruck machen. Und darum geht es doch – vielen Menschen.
Mich interessiert das absolut nicht. Ich kenne das Leben auf einem Campingplatz, seit ich 7 Jahre alt bin und ich kenne das Leben in alten, umgebauten VW-Bussen, seit ich 16 bin. Wir waren Ende der 70er in Griechenland und haben in winzigen Tavernenküchen Gerichte ausgewählt, die am Vormittag zubereitet wurden. Abends ab 21:00 Uhr erwachte dann das Leben in den kleinen Dörfern und himmlisch duftende Suflaki-Spiesse wurden gereicht. Wir haben das ursprüngliche Griechenland kennengelernt. Vielleicht gibt es sowas noch – auf kleinen Inseln oder in abgelegenen Dörfern. Ich werde immer danach suchen, wie die Menschen in dem Land, das ich bereise, leben, lieben lachen, wie sie feiern und wie sie essen. Auf Samouthraki wurden wir spontan vom Bräutigam zur Hochzeitsfeier eingeladen, als wir im vorbeilaufen nur mal einen neugierigen Blick auf das bunte Treiben gewagt haben. Das war toll! In Zadar (Jugoslawien – heute Kroation) lebten wir einige Tage bei einer Familie, die wir am Strand kennengelernt haben. In der Bretagne begrüsste mich die Bäckersfrau jeden Morgen überschwenglich, bloß weil ich mich bemüht habe, Französisch zu sprechen. Im krassen Gegensatz dazu denke ich an einen Diaabend mit einem befreundeten Paar – mit denen wir allerdings nie Urlaub gemacht haben – die auf meine Frage hin versucht haben, anhand der Hotelanlage zu erkennen, wo denn diese Fotos aufgenommen wurden. Also in der Türkei, in Griechenland oder war´s vielleicht doch die Costa Brava?
Wir haben uns bewusst für ein Reisemobil entschieden, weil es uns das Reisen ermöglicht, wo wir grob eine Strecke planen und dann die Erlebnisse auf uns zukommen lassen. Selten halten wir uns an unsere Planungen, weil täglich neue Ideen hinzukommen. Aber eben auch mal das Wohnen an einem Lieblingsort, den wir ausgiebig erkunden wollen oder einfach nur die Seele baumeln lassen. Dann bauen wir auch ein Vorzelt auf und machen richtig Camping, wobei wir auch zu dieser Gelegenheit einfache Bauernhöfe einem durchgestylten 5-Sterne-Platz vorziehen.
Jeder so wie er/sie mag. Wichtig ist aber die Toleranz und die Erkenntnis, das jeder Jeck anders ist. Konstruktive und sachliche Kritik ist außerdem immer etwas Positives. Ich hoffe, das wir sie in allen Ländern Europas noch lange ohne Angst äußern dürfen. Wie sagte einmal eine politische Aktivistin: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!“ Wohl wahr und eine wahrhaft philosophische Aussage.
Benjamin Zielke
Nicht unterkriegen lassen! :)
Nach jahrelangem All-Inkl. Urlauben hatten wir Lust auf was neues… also haben wir uns einen WoWa zugelegt. Unser PKW ist da sicher nicht der richtige (Tesla Model 3), aber wir kommen sehr gut damit klar. Seitdem sehen wir uns aber grundsätzlichem Spott und Häme ausgesetzt. Entweder weil wir zu blöd sind ein „richtiges“ Auto zu kaufen oder weil Wohnwagen Urlaub „Asi“ sei. Man kann sich von jedem alles kaputt reden lassen – oder – man erlebt einfach eine geile aufregende Zeit und hat was zu erzählen. Ist doch egal ob „beruflich“ oder nicht… ihr kommt wenigstens rum und erlebt etwas. Und das ist doch, das einzige was zählt! :)