Manche Erlebnisse kann man nicht planen, und schon gar nicht im Reisebüro buchen. Dazu gehört ein Volksfest im albanischen Bergdorf Vasjar, das wir mehr oder weniger zufällig hautnah erleben. Unser Camper parkt nämlich mitten am Fest.
Inhalt
Die Vorgeschichte
Olyas Familie ist ja über die Welt verstreut zuhause. Ihre Mutter, die in Kanada lebt, hat heute einen Lebensgefährten mit albanischen Wurzeln, und eben dieser Lebensgefährte plante nun einen Besuch seiner Familie im albanischen Bergdorf Vasjar. Olyas Mum fragte also bei uns an, ob wir nicht auf einen Sprung vorbeikommen wollten, schließlich sei Albanien ja praktisch so gut wie gleich neben Österreich zu finden. (Nordamerikaner und wohl auch Kanadier haben ein besonderes Verhältnis zu Entfernungen). Sie habe ja Geburtstag, und den könne man dann gleich gemeinsam feiern.
Tja. Eigentlich waren wir ja erst in Albanien, und hatten eigentlich nicht geplant, zwei Jahre in Folge dasselbe zu machen. Aber was soll’s, dachten wir. Könnte ja ganz interessant werden.
Anfahrt durch Nord-Albanien
Wir fahren bis kurz vor Vlora, wo unser Navi dann mit den seit 2018 neu gebauten Straßen überfordert ist, und uns fehlleitet. Wir beschließen, die Verwirrung für einen Supermarktbesuch zu nutzen. Laut Google maps ist zwei Kilometer entfernt ein solcher zu finden. Leider hat dieser bei unserer Ankunft geschlossen. Das Spiel setzen wir nun fort, und probieren noch drei weitere Supermärkte. Aber wir scheinen die „Siesta-Zeit“ erwischt zu haben – es ist nichts zu machen, alle Supermärkte sind geschlossen.
Auf der SH4 ins Hinterland
Zurück auf die Autobahn leitet uns das Navi nun auf einer Straße in echt-albanischem, weil sehr rumpeligem Zustand. Die Straße SH4, die wir bald erreichen, ist allerdings ausgezeichnet ausgebaut und bringt uns schnell entlang des Flusses Vjosa (Aoos in Griechenland, im Vorjahr waren wir an einem Stausee dieses Flusses) in den Süden. Fast übersehen wir die unscheinbare Abzweigung links die Berge hoch nach Vasjar. Die Auffahrt zum Dorf ist mit Camper zu bewältigen, jedoch sehr schmal. Insbesondere der Kontrast zwischen der breiten, autobahn-mäßigen SH4 mit perfektem Asphalt, und der Schlagloch-zersiebten Bergstraße mit kaputtem Asphalt ist groß. Wir sind froh, dass wir nur einmal Gegenverkehr haben.
Ankunft in Vasjar
Außerdem sind wir nicht unglücklich, dass wir schon gegen fünfzehn Uhr ankommen. Dieses Glück werden wir aber erst später erkennen.
Erstmal parken wir am Dorfplatz, der gerade mit Wasserschlauch und Besen gereinigt wird. Ringsherum führen nur Mini-Gässchen vom Platz weg – nichts für unseren Camper. Zuerst bedeutet mir der Mann, der den Platz gerade reinigt, ich könne hier nicht parken, doch dann, nach angeregter Diskussion mit seinen Kollegen, ändert er plötzlich seine Meinung.

Gleich stürmen zwei Männer auf uns zu, und reden durch das offene Fenster auf uns ein. „Birra, Birra?!“. Wollen sie Bier von uns? Wollen sie uns Bier anbieten? Genau wissen wir es nicht, aber jedenfalls würden wir gerne erstmal die Verwandtschaft finden. Per Telefon funktioniert das nicht, wir haben keinen Empfang hier oben.
„We are looking for Fatos, from Canada“
„Aah, Fatosi!“
Man weiß gleich, wen wir suchen. Dorf eben.
Irgendjemand läuft in eine Gasse davon, und tatsächlich finden wir wenig später Olyas Mutter und ihren Lebensgefährten, die sich über das Wiedersehen freuen.
Ein Wohnmobil im albanischen Bergdorf parken
Es wird spannend. Wie uns nun erklärt wird, ist der 20. August der Tag eines großen Festes in Vasjar. Alle Expats und Heimkehrer, von denen der Ort viele hat, und deren gesamte Verwandtschaft feiern an diesem Tag. Hunderte Gäste werden erwartet. Daher können wir mit dem Camper auch nicht am Dorfplatz bleiben.

Der Plan, uns unter einer Weinlaube zu parken, scheitert daran, dass wir danach ein Cabrio-Wohnmobil hätten.

Der Platz links des Hauses ist leider nicht ansatzweise hoch genug. Doch man findet schnell eine halbwegs ebene Alternative für uns, und Fatos‘ Bruder karrt von irgendwoher Sand an, um ein paar Mulden und Schlaglöcher für uns zu ebnen.

Und so werde ich zentimetergenau durch eines der kleinen Gässchen manövriert, um dann hinter dem Haus einzuparken. Die (tierischen) Nachbarn sind ruhig und reden nicht viel.

Das Fest in Vasjar
Das Fest ist genau so, wie man sich das vorstellt.
Mehrere, ganze Lämmer werden gebraten (oder gekocht), anschließend rustikal auf einer Plastikplane kleingehackt, und dann am ganzen Dorfplatz serviert.
Es ist laut, eine Band spielt am Platz. Mehrere Sänger und Sängerinnen wechseln sich immer wieder ab.
Später wird getanzt, für uns Uneingeweihte sieht das den griechischen Tänzen sehr ähnlich.

Ähnlich wie in Zentraleuropa gibt es überall, wo getanzt wird, auch die Tische mit Männern, die dem Treiben nur (bei viel Bier) zusehen.


Wenn ich nicht fotografiere (was hier übrigens niemanden stört. Im Gegenteil, man freut sich – auch wenn die Kommunikation mangels gemeinsamer Sprache sich auf ein Minimum beschränkt), sitzen wir mit Fatos‘ Familie am großen Tisch vor dem Haus.
Nach genügend Lamm begeben wir uns dann in unseren Camper hinter dem Haus und versuchen zu schlafen.
Nachtruhe? Aber nicht in Vasjar!
Offiziell soll das Fest um 00:30 enden. Wir warten darauf schon seit 23h und hoffen, bald schlafen zu können. Vorerst ist nichts von einem Ende des Fests zu bemerken, und zudem scheint der Weg zur inoffiziellen Toilette an unserem Camper vorbeizuführen.

Um 00:30 endet die Musik auch tatsächlich. Nur, um 10 Minuten später wieder anzufnagen. Bis 04:30 hört sie nun auch nicht mehr auf. Anschließend dauert es noch eine Weile, bis alle Besucher abziehen (viele davon nehmen eine Abkürzung direkt am Camper vorbei, was mich mehrmals aufschrecken lässt). Dann kehrt aber endlich Ruhe ein. Vorerst.
Einbrecher frühmorgens?
Nach etwa einer Stunde Schlaf wache ich von Geräuschen auf. Irgendetwas ist da unter dem Wohnmobil! Bricht da etwa einer auf unkonventionellem Wege ein?
Nein, es ist Fatos‘ Bruder, der wohl nicht müde ist, und direkt im Anschluss ans Fest mit dem Aufräumen begonnen hat. Er ist gerade dabei, unter unserm Camper hindurch einen Wasserschlauch zu verlegen, um die Straße reinigen zu können.
Ein paar mal dösen wir noch ein wenig, doch dann wird es auch schon zu heiß im Camper.
Schreibe einen Kommentar