Immer wieder wird das Thema in Facebook-Gruppen diskutiert: Wohnmobil und Chiptuning. Soll man denn wirklich tausende Euros in die Hand nehmen, um sein Wohnmobil mit stärkerer Motorisierung zu kaufen? Oder trickst man die Hersteller aus, indem man die Basismotorisierung kauft, und per Chiptuning zu Höchstleistungen bringt?
Inhalt
Was passiert beim Chiptuning eigentlich?
Warum kann man durch eine Änderung der Steuerung eigentlich mehr Leistung aus dem Motor kitzeln? Und wenn man das kann, warum tun das nicht einfach die Hersteller selbst?
Nun, hier zwei der wichtigsten Gründe:
Reserven des Motors
Jeder Motor wird mit Reserven konstruiert. Schließlich kann er nicht immer in optimalen Bedingungen bewegt werden.
Beispiele:
- In südlichen Ländern muss das Fahrzeug zum Beispiel mit 40°C Außentemperatur genauso zurechtkommen, wie mit -20°C im hohen Norden.
- Kraftstoffqualitäten unterscheiden sich je nach Land, genauso wie Abgasvorschriften.
Diese „Sicherheitsreserven“ kann man nun auch in eine Leistungsreserve umwandeln: Durch eine Änderung der Motorsteuerung.
Gleichteilefertigung
Um Kosten zu sparen, wird heute nicht mehr für jedes Fahrzeug-Modell ein eigener Motor konstruiert. Vorbei sind die Zeiten, wo man zwischen 2l, 2.5l und 3l Hubraum wählen konnte. Meistens gibt es nun „den selben“ Motor in drei oder vier Leistungsstufen. Erreicht wir das dann durch eine andere Steuerung.
Nun liegt der Gedanke natürlich nahe, die schwächere Motor-Variante auf das Leistungsniveau der stärkeren Varianten anzuheben – schließlich ist es ja der gleiche Motor.
Oder etwa doch nicht?
Arten des Chiptunings
Ist Chiptuning gleich Chiptuning? Nein. Wie so oft gilt auch hier: Für mehr Geld kann man grundsätzlich höhere Qualität erwarten.
Chiptuning
Beim eigentlichen Chiptuning wird ein „Chip“, also eine Box mit Elektronik zwischen Steuergerät und Motor gesteckt. Dieser Chip fängt nun Steuersignale ab, und verändert sie nach eigenem Gutdünken.
Chiptuning ist günstig, hat aber einen Nachteil: Der Chip ist immer gleich, kann also auf individuelle Unterschiede von Fahrzeug zu Fahrzeug (des gleichen Typs) oder Wünsche des Besitzers (mehr Leistung, weniger Verbrauch) nicht reagieren.
Kennfeldoptimierung
Bei der Kennfeldoptimierung wird direkt ins Steuergerät des Motors eingegriffen. Optimierte Parameter werden dort hinterlegt, und zwar direkt aufs eigene Fahrzeug abgestimmt. Daher kann man hier zum Beispiel auch wählen, ob man lieber einen geringeren Verbrauch oder mehr Leistung möchte.
Ob das in der Praxis nun relevant ist, sei dahingestellt. Wir nehmen an, dass 99% aller Chiptuning-Kunden mehr Leistung möchten, und weniger Verbrauch gerne mitnehmen. So unterschiedlich werden die Anforderungen also nicht sein.
Risiken des Chiptunings beim Wohnmobil
Ist Chiptuning ohne Risiko? Wohl kaum. Jeder Motor hat eine Leistungsgrenze, wo zum Beispiel die thermische Belastung so groß wird, dass ein Defekt auftreten würde. Es gilt also zu vermeiden, durch Tuningmaßnahmen diese Grenze zu erreichen oder zu überschreiten.
Nun sind gerade Wohnmobile keine leichten Fahrzeuge. Die meisten Fahrer werden daher die gesamte, zur Verfügung stehende Leistung auch tatsächlich abrufen (müssen), zumindest beim Beschleunigen, Überholen und Bergauffahren.
Was die Chiptuner sagen
Chiptuner argumentieren, jeder ein Motor habe genügend Reserven, um auch eine Leistungssteigerung zu vertragen.
Dank Gleichteilefertigung könne man außerdem schwächere Motorisierungsvarianten durch eine simple Änderung der Steuerung auf das Leistungsniveau der baugleichen, stärkeren Motor-Varianten bringen. Schließlich sollen diese nur durch eine andere Steuerung mehr Leistung erreichen, das habe daher keine Nachteile.
Als Beleg verweist man auf Ersatzteillisten, wo Motor-Ersatzteile für alle Motorversionen dieselbe Teilenummer haben.
Was die Motorenindustrie sagt
Dem widerspricht allerdings ein Insider aus der Motorenindustrie.
- Ja, die Konstruktion der Motoren sei oft dieselbe.
- Nein, das bedeute nicht, dass auch die gleichen Teile verwendet werden.
Damit die leistungsstärkeren Motor-Versionen auch thermisch stärker belastbar sind, werden dort nämlich Teile in höhere Materialqualität verwendet, so der Insider.
Warum dann also die gleichen Teilenummern für die schwächeren Motor-Versionen? Ganz einfach: Um niedrige Lagerhaltungskosten zu erreichen, gibt es Ersatzteile ganz einfach nicht in der einfachen Qualität als Ersatzteil zu kaufen, sondern ausschließlich in der höchsten Qualität. Dadurch muss eine Komponente nicht z.B. dreifach über viele Jahre vorgehalten werden, sondern nur einfach.
Unsere Erfahrung
Wir selbst haben bei unserem neuen Kastenwagen zum Ducato mit 150PS gegriffen. Das kostete einiges an Aufpreis gegenüber der 130PS-Version. Warum also nicht einfach per Chip nachhelfen?
Nun, das hat mehrere Gründe. Erstens ergab unsere Recherche, dass der 150PS-Ducato einen Turbolader mit variabler Geometrie aufweist, welchen die 130PS-Version nicht hat. Dieser Turbolader soll ein Turboloch verhindern (was er unserer Erfahrung nach auch hervorragend macht) und ist damit für ein Wohnmobil nicht unwichtig. Das belegt also auch, dass man aus der reinen, identischen Hubraum-Angabe nicht schließen kann, ein Motor sei technisch identisch.
Zweitens würden wir ein Chiptuning nicht illegal machen. Auf die Bürokratie mit Eintragung hatten wir keine Lust. Auf etwaigen Garantieverlust durch den Hersteller noch weniger. Aber das kann man natürlich auch anders sehen.
Fazit
Chiptuning funktioniert, das belegen viele Erfahrungsberichte. Doch genauso gibt es Berichte über Motorschäden bei chipgetunten Fahrzeugen.
Ob man nun den Tunern glaubt, die sagen, bei professioneller Arbeit würde das nicht passieren, bleibt jedem selbst überlassen. Uns erscheint die Aussage des Motorenindustrie-Insiders glaubwürdig, dass höherwertige Motorversionen auch mit besseren Materialien gebaut werden. Dass sich Komponenten unterscheiden, wissen wir aus der Erfahrung mit dem Ducato.
Uns persönlich erscheint das Risiko zu groß, bei einem Freizeitfahrzeug, das man viele Jahre fahren möchte, für ein bisschen mehr Leistung die Langlebigkeit zu riskieren. Dann lieber doch den hohen Aufpreis für die Leistung ab Werk bezahlen.
Das darfst du, lieber Leser, natürlich gerne anders sehen. Aber vielleicht haben wir mit diesem Artikel ein wenig zur objektiven Entscheidungsfindung beitragen können.
Hallo WoMo Guide,
man könnte die Tuning-Geschichte auch so zusammen fassen: die Gier zu geringen Kosten scheinbar mehr zu haben, ist wie immer ein Teufelchen.
Tuning sollte man dem Rennen überlassen, dort ist Leistung egal zu welchem Preis gefragt, „man“ hat ja die Kohle für den Ersatzteil.
Als WoMo-Fahrer sollte unsereins genau das nicht notwendig haben. Ich bin früher mit meinem 4,2-Tonner und 60PS (ein MB407 aus den 1980-ern) überall hin und überall hinauf gekommen. Heute mit den 130PS auf nicht ganz 3,5-Tonnen habe ich eine noch größere Freude, auch ohne Tuning. Das sollte auch jedem gerecht sein.
Hallo Joachim,
genau, wobei ich persönlich zugeben muss, dass ich mehr Leistung schon nehmen würde. Damit fährt es sich halt einfach angenehmer.
Wenn, dann aber bitte langlebig und ab Werk. (Dank Downsizing muss man heute ja seblst da schon ein wenig Bauchweh haben)
Gerfried
Angesicht der Tatsache das wir mehrere Hundert Wohnmobiele und 10.000de andere Fahrzeuge bereits in unserer 30 Jährigen Tuninglaufbahn getunt haben können wir auf eine Stolze Bilanz hinweisen.
Von unserem Versicherer wurden lediglich 3% der einbezahlten Versicherungsbeiträge für Schäden ausbezahlt.
In dieser Zeit sind 3 Motorschäden innerhalb von 100000 km aufgetreten die nicht unserer Kennfeld-Optimierung zuzuordnen war.
Jedoch wenn man den Fahrzeug-Herstellern mal auf die Zahn fühlt haben die weitaus mehr Probleme bei Ihren Original-Fahrzeugen zu beklagen.
Auch das mit den Bauteilen, wie hier beschrieben wird, ist nur die Halbewahrheit.
Was die Anbauteile betrifft so heist es nicht das eine schlechter wäre als das Andere bzw. jedes dieser Bauteile noch genügend Menge „Luft“ nach oben lässt.
Auch die stärkste Variante hat noch einiges an Spielraum zur Verfügung.
Gewußt wie ist hier das Zauberwort.
Hallo Reinhold,
ich denke, wir haben versucht, im Artikel objektiv beide Seiten der Argumentation darzustellen. Jeder kann sich nun selbst ein Urteil bilden und zu einer Entscheidung gelangen.
Dass ein Tuning-Anbieter zum Chiptuning rät, ist nun auch keine große Überraschung, ein Autohersteller würde wohl das Gegenteil tun 😉
Danke aber für die ehrliche Offenlegung der Betriebszugehörigkeit. Viele Unternehmen versuchen als angebliche „Kunden“ mit Kommentaren die Zielgruppe zu beeinflussen, was wir nicht so gerne sehen.
Ciao
Gerfried